Jüdische Allgemeine (Berlin)

Ausgabe Nr. 5/08, 31.01.2008, Feuilleton, Rubrik "Soundcheck"

Frohlocken in Moll: Waltraud Rennebaum singt hebräische Psalmen

Es gibt Menschen, die nicht nur aus beruflicher Notwendigkeit nett sind, sondern auch im normalen Leben, einfach so, ganz ohne Hintergedanken. Waltraud Rennebaum ist so ein Mensch. Sie ist praktizierende Christin, eine, die ihren Glauben lebt. Gefragt, warum sie auf ihrer aktuellen CD "Ma'alot – The Songs of Ascents" die Psalmen auf Hebräisch singt, erzählt die studierte Musikerin – ihre Fächer waren Horn und Klavier – wie sie, ausgelöst durch eine schwere Krankheit, zu ihrem Glauben kam: "Ich habe die ganze Bibel von vorne bis hinten gelesen, aber gerade die Psalmen haben mich fasziniert." Nach ihrer Genesung sattelte sie auf Gesang um und lernte bei einer Judaistin die Sprache der Bibel.
An dieser Stelle eine Bemerkung zu christlicher Musik: Die ist heute leider meist nicht mehr vom ästhetischen Format der Schöpfungen Johann Sebastian Bachs oder Paul Gerhardts. Der oft unbedarfte Singsang auf Kirchentagen beispielsweise begeistert vielleicht die Singenden, nicht aber den Zuhörer, zumal wenn er Nichtchrist ist. Bei Waltraud Rennebaum und ihrem Ensemble Shoshan ist das anders. Hier geht es nicht um beseeltes Frohlocken, hier werden auf hohem musikalischen Niveau Psalmen in einer Mischung von Klassik und und israelischer Folklore vertont.
Bei der GEMA (die es wissen muss) laufen die 16 Titel des Albums unter der Bezeichnung "Kunstlied", was der fundierten klassischen Ausbildung der drei Ensemblemitglieder gerecht wird. Waltraud Rennebaum wird begleitet von Heike Zehe (Flöten) und ihrem Ehemann Raimund an Klavier und Keyboards. Raimund Rennebaum hat früher einmal in einer Jazzrock-Band gespielt: seinem Groove bei Psalm 130 ("Kiviti Adonai") ist das anzuhören.
Präsentiert werden in dem Album die Psalmen 120 – 134, die sogenannten Stufen- oder Wallfahrtslieder, wie sie an Pessach, Schavuot und Sukkot gesungen werden. Als Autoren der meisten von ihnen gelten, der Überlieferung nach, König David und sein Sohn Salomo. Jedes Stufenlied beginnt mit der Wendung "Shirei ha Ma'alot" – Lieder des Aufstiegs, daher der Titel der CD. Die Musik stammt von beiden Rennebaums und den jüdischen Komponisten Israel Harel, David Vincrants und Elisheva Shomron. Viele Stücke sind in Moll notiert. "Das hat damit zu tun, das die jüdische Seele ihre Lebensfreude oft in Moll ausdrückt, im Gegensatz zu deutscher Volksmusik, die auf Dur-Intervallen basiert", meint Waltraud Rennebaum. Könnte sein. Vielleicht hat es aber doch auch damit zu tun, dass Juden in ihrer Geschichte hin und wieder nichts zu lachen hatten.

Jonathan Scheiner

WALTRAUD RENNEBAUM & ENSEMBLE SHOSHAN: MA'ALOT – THE SONGS OF ASCENTS
Hänssler Classic 2007

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